Ringvorlesung ChatGPT und Co. an der Universität Regensburg

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Highlights und Insights

Wusstest du, dass ChatGPT nach dem zentralen Prinzip funktioniert, in einem begonnenen Text immer nur das nächste wahrscheinliche Wort hinzuzufügen? Weil viele das nicht wissen, war dies wohl der am häufigsten wiederholte Aspekt zur Funktionsweise neuester, sprachbasierter KI-Tools wie ChatGPT. Weitere Insights und Highlights der Ringvorlesung zum Thema „ChatGPT und Co.“, die im Sommersemester an der Universität Regensburg stattgefunden hat, findest du in diesem Beitrag. Und natürlich hat sich auch die Professur für Digital Humanities mit einem Vortrag beteiligt. Thema war: Meerjungfrau-Geschichten…

Große Sprachmodelle und was sie können

Die Ringvorlesung zu ChatGPT und Co. an der Universität Regensburg startete gleich mit einem Highlight. Am 26.4.2023 führte Christian Wolff, Lehrstuhlinhaber der Medieninformatik Regensburg in die Funktionsweisen großer Sprachmodelle ein. Rund 100 Zuhörende hatten sich dazu in den Hörsaal in der Universitätsstraße 3 eingefunden oder sich per Zoom hinzu geschaltet. Aufmerksame Stille herrschte als beschrieben wurde, wie das maschinelle Lernen mit überwachten und unüberwachten Verfahren gelingen kann und warum ein tiefes Lernen (Deep Learning) so viel besser funktioniert als einfachere Verfahren.

Prof. Wolff erklärte, dass Wörter und Buchstaben in Zahlenreihen (Vektoren) umgerechnet werden, mit denen Wahrscheinlichkeiten berechnet werden können. Auf dieser Basis können Tools den nächsten wahrscheinlichen Buchstaben für einen Text errechnen, die nächste wahrscheinliche Silbe, das nächste wahrscheinliche Wort. Viel mehr ist es nicht, was ChatGPT macht und doch bleibt die Frage schwer zu beantworten, wie viel Bedeutung denn nun in diesen großen Sprachmodellen oder Large Language Modells (LLMs) steckt.

Dass die Entwicklung von Tools wie ChatGPT und Co. für Forschende weniger der große Paukenschlag ist, den der Hype um die „KIs“ vermuten lässt, haben Prof. Udo Kruschwitz und Prof. Bernd Ludwig aus der Informationswissenschaft Regensburg in ihrem Beitrag zur Ringvorlesung gezeigt. Denn die aktuellen Implementierungen großer Sprachmodelle sind Teil einer langen Forschungstradition. Dass es solche Tools eines Tages geben würde, war bereits abzusehen. In der Forschungsrichtung der maschinellen Sprachverarbeitung (Natural Language Processing, kurz: NLP) arbeiten Informatiker und Geisteswissenschaftler*innen wie z.B. Computerlinguist*innen zusammen daran, das Textgeneratoren immer besser werden. Ruhige Gelassenheit statt Hype also seitens derjenigen, die an solchen Entwicklungen beteiligt sind.

ChatGPT und Co. in der Arbeitswelt

Ja aber, wenn ich jetzt nicht in der Forschung tätig bin, nimmt ChatGPT mir dann meinen Job weg? Was Nikolas Kayser-Brill, Datenjournalist bei Algorithm Watch dazu zu sagen hatte, mag für einige beunruhigend sein. Für andere löst es vielleicht eher das Gegenteil aus. Denn die schlimmsten Befürchtungen sind zwar einerseits bereits wahr geworden und Tools wie ChatGPT haben arbeitende Menschen ersetzt. Aber andererseits waren sie dabei längst nicht immer genauso gut in den entsprechenden Jobs wie die Menschen. Als Faustregel hielt Kayser-Brill fest, dass, wenn sie gut waren, die Jobs eh langweilig gewesen seien. Wir können also langweilige Tätigkeiten an solche Tools outsourcen und uns interessanteren Dingen zuwenden. Fakt ist, diese Tools sind nun einmal da und sie werden genutzt, z.B. zur Content-Produktion. Aber allein und ohne kluge Nutzung können sie wenig mehr als Allgemeinplätze erstellen. Gemeinsam mit ihnen kann man den Arbeitsalltag hingegen produktiver und innovativer gestalten.

Ist das nun Kunst?

Geimeinsam mit KI-Tools etwas Bedeutsames schaffen – wie das genau geht, hat Jason Nelson von der Universität Bergen in seinem Vortrag gezeigt. Nelson ist nicht nur Professor, sondern auch Schöpfer unterschiedlichster, vom Digitalen inspirierter Kunstwerke. Derzeit erarbeitet er gemeinsam mit der Bild-KI DALL-E Werke, die er dann zum Teil animiert. Riesige, futuristisch anmutende und zum Teil sehr surreale Bilder sind das Ergebnis dieses Schaffensprozesses. Dieser wird aber übrigens nicht vom stundenlangen Hadern mit dem Pinsel zu einem Mouseklick verwandelt; die Arbeit mit der Software ist ebenso langwierig, erfordert ebenso viel Sorgfalt und ein genauso künstlerisches Auge wie analoge Malerei. So hat man am Ende nach Nelsons Vortrag – der ein echtes Highlight dieser Ringvorlesung war – auch nicht den Eindruck gehabt, dass nun jeder per Knopfdruck Kunst machen kann. Wieder kann die „KI“ allein wenig ausrichten, eine Co-Künstlerschaft hingegen kann luftige Schöpfungshöhen erreichen.

Was lehren uns ChatGPT und Co. über Meerjungfrauen?

Meerjungfrauen sind herzensgute Wesen, die im Wasser geboren und doch von einer starken Sehnsucht zur Welt der Menschen beseelt sind. Sie sind darum prädestiniert dafür, zu Mittlerinnen zwischen den Welten zu werden. Sie geben ihrer Neugier nach und finden in der Menschenwelt Freundschaft oder gar Liebe. Trotzdem müssen sie am Ende zurück in ihr eigenes Element. Diese häufigen Muster sind es jedenfalls die ChatGPT ausspuckt, wenn man immer und immer wieder mit unterschiedlichen Parametern Geschichten über Meerjungfrauen generiert. Eine solche Geschichte, die mit DALL-E illustriert wurde, findest du in diesem Video:

@digitalhumanities_woman Heute Abend ist es so weit: ich halte meinen ersten Vortrag an der @Uni Regensburg und zwar in der Ringvorlesung zu Chat GPT und Co. Dafür habe ich mir zur Unterstützung einen kleinen Stargast generiert, den ich euch in diesem Video vorstelle. Ansonsten geht es um Potentiale für die #digitalhumanities #Forschung. Mit dabei sein wird auch eine Fallstudie zu „Meerjungfrauen, grenzüberschreitender Liebe und dem Stil von Chat GPT“. Dafür habe ich insgesamt 20 #KI-generierte Märchen mit Meermädchen erstellt. Eines davon hörst du in Ausschnitten hier. Bebildert mithilfe von DALL-E. Den Vortrag kannst du heute, am 28.6.23 um 18.15 Uhr auf Zoom mitverfolgen. Link zu mehr Infos findest du im ersten Kommentar #chatgptuni #chatgpt #künstlicheintelligenz #KI #AI #Wissenschaft #Forschung #litteratur #ComputationalLiteraryStudies #DH #AIArt #KIKunst #Literatur #Märchen #ChatGPT #DALLE ♬ Originalton – Mareike Schumacher

Sagt man dem Tool es solle den Stil eines bestimmten Autors oder einer Autorin imitieren, so sind es nicht die kleinen, unbewusst eingesetzten Merkmale des Stils wie Rhythmik und häufige Wortverwendung, die das Tool einzufangen versucht. Es sind hingegen häufige Namen und Settings, manchmal Muster und Eigenheiten, die in die Texte eingewoben werden. So kommt in einer Geschichte über eine Meerjungfrau im Stile Terry Pratchetts plötzlich eine Unterwasser-Bibliothek vor. In einer Nixen-Story, die Game of Thrones imitiert, kennt die Protagonistin natürlich Pike und die Eiseninseln ebenso wie Kings Landing, wo sie sich eine Zeit lang an den Intrigen um den eisernen Thron beteiligt. Böse Meerjungfrauen, die an die Ursprünge der Fabelwesen erinnern als sie noch unschuldige Seeleute in tiefe Gewässer lockten, scheinen im Trainingsmaterial von ChatGPT eine kleinere Rolle gespielt zu haben. Das und einiges mehr führte die Fallstudie zutage, die von der Digital-Humanities-Professur zur Vortragsreihe beigetragen wurde.

Und wo bleibt nun Menschlichkeit?

ChatGPT und Co. sind am Ende nur Maschinen, die nur dann gut funktionieren, wenn wir sie klug nutzen. Und doch neigen Nutzende immer wieder dazu, die sogenannten KI-Tools zu vermenschlichen. ChatGPT wird zugeschrieben, etwas zu wissen oder nicht. Man stellt sich die Frage, ob das Tool zur Autorschaft fähig ist. Man unterstellt ihm, Jobs wegzunehmen. Der starke Hang dazu, das Tool als dem Menschen ähnlich zu begreifen, zeigt, wie gut die Generierung von Texten und Bildern heute funktioniert. Bei aller Skepsis ist das auch ein Anlass dazu, anzuerkennen, welche Qualität interdisziplinäre Forschung zwischen Informatik und Geisteswissenschaften erreicht hat und alltagsrelevant die Ergebnisse sind, die diese liefert. Der Mensch kann sich sicherlich an die neuen Möglichkeiten anpassen und diese für sich nutzen. Am besten natürlich, wenn er sich dabei im Klaren bleibt, was diese Tools sind, was sie können und wie sie funktionieren.

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